Don Donaldo – Teil 6

Die Schädel waren natürlich keine echten, sie waren aus Plastik, daher gab es auch keine Geister, die um Donaldo umherschwirrten. Trotzdem wurden sie ihm zum Verhängnis, denn bei seiner wilden Tanzerei stolperte er über einen, verlor das Gleichgewicht, fiel vom Tisch, kam ungünstig mit dem Kopf auf … die Gesichter der Leute um ihn herum, die Stimmen, die Musik, alles löste sich erneut auf, und er versank in eine tiefe Dunkelheit.
„Mr. Trump?“, hörte er eine Stimme sagen.
„Frida!“, seufzte er.
„Frida? Nein, ich bin nicht Frida.“
Trump versuchte, seine Augen zu öffnen. Er schaffte es ansatzweise und konnte sehen, dass der Raum um ihn herum weiß war. Außerdem konnte er schemenhaft das Gesicht einer Frau erkennen.
„Ich bin Dr. O’Canis, Sie hatten einen Unfall und befinden sich nun im Krankenhaus“, hörte er die Frau sagen.
„Wie ist das passiert?“, fragte er mit schwacher Stimme.
„Sie sind über ein Bobbycar gefallen, aber die Mutter des Bobbycar-Fahrers hat sofort den Krankenwagen gerufen und ihnen erste Hilfe geleistet. Eine sehr nette Frau, Mrs. Alvarez Cortez!“
„Mexikanerin?“
„Ja, Mr. Trump, wieso?“
Trump antwortete nichts. Er dachte noch einmal über das nach, was er während seiner Bewusstlosigkeit erlebt hatte. An alles konnte er sich erinnern: Don Pedro, Jesús, die Chicas, der Tempel, das Konzert, Frida … er seufzte. Der Traum, wie er es nannte, da ihm das Wort „Nahtoderfahrung“ zu gespenstisch war, hatte ihm eine Seite von sich selbst gezeigt, die er immer mit aller Gewalt zu unterdrücken versucht hatte. Er hatte das Gefühl, durch den Abend im Huitzilopochtli-Tempel ein anderer Mensch geworden zu sein. Er hatte sich noch nie so befreit gefühlt – und sich noch nie so königlich amüsiert.
Zwei Wochen später war Donald Trump wieder wohlauf und wusste genau, was er wollte. Das Erlebnis hatte ihn zu folgender Entscheidung kommen lassen: Ab sofort würde er sich verstärkt dafür einsetzen, dass die Mexikaner aus den USA verschwanden. Kein amerikanischer Bürger sollte jemals mehr über ein mexikanisches Bobbycar stolpern und etwas Berauschendes erleben, dass ihn von seinen Pflichten als guter Bürger ablenkte. Nie wieder Tequila! Mit diesem Vorsatz schritt Trump ins neue Jahr.

Ein knappes Jahr später, in der Adventszeit, wollte Trump wieder einmal auf der 5th Avenue Weihnachtsgeschenke für seine Kinder kaufen, da stolperte er über das Bobbycar des dreijährigen Mohammed Abdul Al-Asmar, schlug ungünstig mit dem Kopf auf dem Pflaster auf und blieb bewusstlos liegen …

Don Donaldo – Teil 5

„Das ist natürlich nicht Leia, das ist Frida Kahlo!“, sagte Samuelita. „Und sie trägt das Gewand der Madonna von Guadalupe!“, fügte Juanita ehrfurchtsvoll hinzu.
„Sie ist … atemberaubend!“, seufzte Donaldo.
Die Mariachi verließen die Bühne, ein paar junge Männer begannen, in Windeseile ein Schlagzeug, Verstärker und sonstige Bandausrüstung aufzubauen. Währenddessen stand Frida vorn am Bühnenrand und sprach zum Publikum. Sie begrüßte die, die neu hinzugekommen waren, und Donaldo hatte das Gefühl, dass sie dabei genau zu ihm schaute. Er grinste selig und bemerkte, wie Samuelita und Juanita ihn von der Seite aus beobachteten und dabei kicherten – es machte ihm nichts aus, solange Frida ihn ansah. Mit ihrer klangvollen Stimme kündete sie eine Band an, deren Namen etwas kompliziert war, sodass Donaldo ihn nicht verstand. Das Publikum jedoch schien die Band zu kennen, denn es applaudierte und jubelte.
„Wie heißt die Band?“, fragte Donaldo.
„Panteón Rococó!“, antworteten Samuelita und Juanita wie aus einem Mund. Die Chicos, die die Bandausstattung aufgebaut hatten, waren verschwunden, das Licht wurde gedimmt und auch Frida verließ die Bühne. Es war mucksmäuschenstill im Saal, alle starrten nach vorn. Und da betraten mehrere Männer in schwarzen T-Shirts die Bühne. Das Publikum brach erneut in einen ohrenbetäubenden Jubel aus. Donaldo schaute sprachlos um sich, alle um ihn herum klatschten, hüften, tobten, gaben Jubellaute von sich. „Die Band muss der Hammer sein“, dachte er. Die Musiker hatten ihren Platz eingenommen, Donaldo zählte zehn Personen und wunderte sich, warum bei einer Rockband Posaune, Saxophon und Trompete dabei waren. Da begann Panteón Rococó zu spielen – und das Publikum zu tanzen, es hüpfte geradezu auf einen schnellen, zerhackten Beat umher.
„Das klingt aber nicht mexikanisch!“
„Ist es auch nicht, diese Musik haben einst jamaikanische Einwanderer nach England mitgebracht.“, erklärte Samuelita.
„Einwanderer! Ah!“ Donaldo wunderte sich darüber, dass das Wort „Einwanderer“ keine Aggression mehr in ihm auslöste.
„Und irgendwann ist der Ska dann in Mexiko gelandet!“, fuhr Samuelita fort.
„Ska! Endlich ein kurzes Wort, das ich mir leicht merken kann …“
„Na los, tanzen, Donaldo!“
Er versuchte, so zu tanzen, wie die anderen es taten. Doch er hatte seine Probleme mit dem Ska-Rhythmus und machte immer zur falschen Zeit eine falsche Bewegung. Irgendwann konnte Juanita es nicht mehr mit ansehen, hakte sich bei ihm unter und machte ihm die Fußbewegungen vor – so lange, bis Donaldos Füße es begriffen hatten. Von da an machte ihm der Abend erst richtig Spaß. Zuerst tanzte er noch zurückhaltend, mit kleinen Bewegungen, doch nach dem dritten Lied und einem weiteren Tequila hüpfte er nur so umher. Er tanzte die Leute um ihn herum an, sie erwiderten es, schließlich wurde Donaldo übermütig und stieg auf einen Tisch. Das Essen war zwar inzwischen abgeräumt worden, doch etwas lag noch darauf herum: die bunt dekorierten Totenschädel mit ihren düsteren Augenhöhlen …

Werden die Geister der Toten, denen die Schädel einst gehörten, zum Verhängnis für Donaldo?

Don Donaldo – Teil 4

Nach dem Tequila war alles anders. Donaldo sah die Fiesta durch ganz neue Augen. Die Kostüme der Gäste fand er nicht mehr gruselig oder albern, sie gefielen ihm. Er ließ sich von Samuelita und Juanita zeigen, wie man Tortillas rollte. Die erste Tortilla schmeckte ihm so gut, dass er sich noch eine zweite und eine dritte baute, jeweils mit einer anderen Füllung, aber immer mit einer Riesenportion Guacamole. „Ich bin nicht in der Hölle, ich bin im Himmel!“, sagte er mit vollem Mund vor sich hin. „Ob das im wahren Leben auch so gut schmeckt? Warum war ich nie mexikanisch essen?“ Juanita stand kurz auf, sammelte ein paar Dinge vom Tisch auf und setzte sich wieder neben ihn, wo sie schließlich das ganze „Set“ vor sich aufbaute: Tequila-Flasche, Salzstreuer, Limetten. „Jetzt zeige ich dir, wie es richtig geht.“ Donaldo legte seine Tortilla ab und trank unter Juanitas Anweisung einen zweiten Tequila. Und einen dritten. Danach schaute er spannungsgeladen von einer Chica zur anderen und sagte feierlich: „Huitzilopochtli!“, ohne Fehler. Juanita und Samuelita applaudierten begeistert. Donaldo machte sich über den Rest seiner Tortilla her, dabei fiel sein Blick auf die Bühne, auf der noch immer die Mariachi spielten. „Die Jungs sind zwar ganz nett, aber gibt es nicht etwas Flotteres? More Rock’n’Roll!“
„Du willst doch nicht etwa tanzen!?“, spöttelte Samuelita, „Gib ihm drei Tequila und er ist ein ganz anderer Mensch!“
Die Mariachi spielten ihr Lied zu Ende, Applaus ertönte, auch Donaldo und die Chicas applaudierten mit. Die Musiker verneigten sich ein paarmal, bis das Klatschen sich legte. Eine Frau betrat die Bühne.  Donaldo hielt die Luft an. Er hatte das Gefühl, dass es keine gewöhnliche Frau war, das sagte ihm die Aura, die sie umgab. Sie trug ihr dichtes, schwarzes Haar in einer kunstvoll geflochtenen Frisur, ihr ernster Blick wurde unterstrichen von dichten, markanten Augenbrauen. Sie trug ein einfarbiges, rotes Kleid und darüber einen blauen Mantel. Elegant schritt sie in die Mitte der Bühne, lächelte den Musikern zu und bedankte sich für ihren Auftritt. Ihre Stimme klang wie sanfte Musik. Donaldo vergaß alles um sich herum. Er konnte seinen Blick nicht eine Sekunde von der Frau abwenden.
„Wer ist das?“, fragte er.
„Das“, antwortete Samuelita feierlich, „ist Prinzessin Leia.“
„Aaah“, machte Donaldo und ahnte im selben Moment, dass hier etwas nicht stimmte.

Ist die Frau wirklich Prinzessin Leia? Oder vielleicht doch Chewbacca nach einem Waxing?

Don Donaldo – Teil 3

Wie, du trinkst keinen Alkohol? Na, das werden wir noch sehen!“, meinte Juanita.
„Ich will da nicht rein!“, protestierte Donaldo. Samuelita stellte sich vor ihn, verschränkte die Arme und schaute ernsten Blickes zu ihm auf. „Weißt du eigentlich, wie froh du sein kannst, auf diese Fiesta zu dürfen? Ganz Mexiko will dorthin, doch die meisten können es sich nicht leisten. Du dagegen musst keinen Peso zahlen.“
„Aber das ändert doch nichts daran …“
„Sei still und geh weiter! Es wird dir gefallen!“
Die Chicas hakten sich rechts und links bei Donaldo unter und zogen ihn zum Eingang. Auch die schwere Holztür bewegte sich wie von Geisterhand. Sobald sie sich auch nur einen Spaltbreit geöffnet hatte, drang ein Gewirr aus Musik, Gesang und Stimmen heraus. Bald schon konnte Donaldo in das Innere hineinschauen. Drinnen war es zwar düster, doch er konnte deutlich Menschen in merkwürdiger, bunter Kleidung erkennen. Beim Eintreten erblickte er eine Bühne, auf der eine mexikanische Band spielte: fünf Herren in Anzügen, riesige Sombreros auf dem Kopf. Sie spielten verschiedene Instrumente wie Gitarre, Trompete und sogar Geige und sangen mehrstimmig dazu. „Mariachi, Donaldo! Sie heißen Mariachi!“, erklärte Samuelita.
„Könnt ihr etwa auch Gedanken lesen?“
„Nein, aber dein fragender Blick war nicht zu übersehen.“
Die Gäste tanzten, unterhielten sich, liefen umher, lachten, es war ein einziges Durcheinander. Kritischen Blickes betrachtete Donaldo die Gäste näher. Es gab Menschen, die waren völlig alltäglich angezogen, Hose, Hemd, T-Shirt, Jeans, Kleid. Aber zwischendurch sah er einige in äußerst fantastischen Aufmachungen: hautenge Wrestler-Anzüge mit gruseligen bunten Gesichtsmasken, Menschen in Azteken-Kostümen mit aufwändigem Federschmuck auf dem Kopf, andere mit Totenschädel-Masken und schwarzen T-Shirts mit Band-Aufdruck, Schädel-Motiv inklusive. Schädel erblickte Donaldo auch noch als Wandgemälde oder Tischdeko, meist bunt bemalt oder verziert mit Strasssteinen oder Blüten. Auf den Tischen entdeckte er außer Deko auch jede Menge Essen, Tortillas, die darauf warteten, mit den leckersten Dingen gefüllt zu werden: Fleisch, Bohnen, Chilisauce, Mais, sonstiges Gemüse, und vor allem Guacamole. Zwischen den Tellern, auf denen das Essen lag, standen leere Schnapsgläser, Salzstreuer, Schälchen mit Limettenschnitzen und zu guter Letzt einige Flaschen Tequila. Donaldo lief es eiskalt den Rücken hinunter, als er sich vorstellte, dieses unheilvolle Zeug trinken zu müssen.
„So, jetzt habe ich den Hutzlitempel von innen gesehen, jetzt können wir wieder … halt, was soll das?“ Blitzschnell hatte Juanita Tequila eingeschenkt und hielt ihm nun das Glas direkt vor den Mund. „Trink, dann hörst du endlich auf zu jammern!“ Er wollte einen Schritt zurück machen, doch Samuelita hielt ihn am Arm fest, und sie war stärker als er es erwartet hätte. Auch Juanita blieb hartnäckig, sie presste ihm das Schnapsglas an die Lippen. „Was soll’s“, dachte er, „ich bin eh‘ schon tot und anscheinend in der Hölle angekommen, was kann jetzt noch passieren?“ Donaldo öffnete den Mund und Juanita kippte ihm den Tequila in den Rachen …

Wird es noch schlimmer für Donaldo? Muss er am Ende sogar noch tanzen???

Don Donaldo – Teil 2

Auf einer unebenen, staubigen Straße fuhr der Käfer dahin. Die Landschaft war eine Steppe, mit flachem, ausgedorrtem Gebüsch, zwischendurch ragte immer wieder ein Kaktus heraus. Donaldo wagte einen Blick auf seinen Fahrer. Jesús hatte lange, schwarze Haare, einen Bart, trug ein schwarzes T-Shirt mit einem verschnörkelten Schriftzug und einem Schädel darauf. Seine Hände hielten gelassen das Steuer … Donaldo traute seinen Augen nicht, Jesús hatte die Stigmata auf seinen Händen, und zwar als Tätowierung. „Das darf nicht wahr sein!“, stammelte er vor sich hin.
„Das ist es aber.“
„Wohin fahren wir eigentlich?“
„Zum Huitzilopochtli-Tempel.“
„Zum … was?  Warum jetzt plötzlich in die Schweiz?“
„Du bist ganz schön witzig!“
Donaldo hörte auf, Fragen zu stellen. Er lehnte sich in seinen Sitz zurück, ließ sich von den Unebenheiten der Straße durchschütteln und beschloss, abzuwarten, was das Schicksal ihm bringen würde. Sie fuhren eine Weile, da tauchte am Horizont ein pyramidenförmiges Gebäude auf. Beim Näherkommen konnte Donaldo die Stufen der Pyramide erkennen, es sah aus wie ein typischer Azteken-Tempel, wie er sie von Bildern aus dem Reiseprospekt kannte.  „Das wird dieser blöde Hutzli-Tempel sein,“ dachte er.
„Hör auf zu schimpfen und freunde dich lieber mit Mexiko an, denn aus der Nummer kommst du nicht mehr raus!“, entgegnete Jesús. Donaldo seufzte, verzweifelt darüber, dass sein Fahrer auch noch Gedanken lesen konnte.
Bald erreichte der Käfer das Eingangsportal des Tempels, eine riesige, rustikale Tür aus dunklem Holz. Vor ihr standen zwei junge Frauen in kurzen Abendkleidern, die Füße stecken in Schuhen mit sehr hohen Absätzen, über den Schultern hingen schwarze Pailletten-Täschchen. „Kreischende Chicas. Oh nein!“, dachte Donaldo.
„Hey, das sind meine Schwestern Samuelita und Juanita! Sie werden mit dir auf die Fiesta gehen, dir unsere Kultur erklären, und vor allem werden sie …“, Jesús legte einen düsteren Blick auf, „ … dich vor bösen Geistern schützen!“
„Was? Oh Gott, Hilfe!“
Jesús strubbelte Donaldo durchs lichte Haar. „War nur ein Scherz, Gringo. Und jetzt raus mit dir! Adelante!“ Erneut öffnete sich die Beifahrertür von selbst. Donaldo schleppte sich stöhnend heraus. Die Chicas kamen auf ihn zu: „Hallo, wir sind Samuelita und Juanita …“
„Ja, ich weiß, ihr sollt mich durch die Höllenfahrt im Hutzli-Dings begleiten.“
„Und wir haben eine Flasche Tequila dabei!“
Donaldo fiel die Kinnlade herunter. „Was? Tequila? Aber ich trinke doch gar keinen Alkohol!“

Werden Juanita und Samuelita es schaffen, auf ihren viel zu hohen Absätzen den störrischen Donaldo in den Huitzilopochtli-Tempel zu schleifen?

Don Donaldo – verloren in Mexiko – Teil 1

Er wollte gerade auf der 5th Avenue Weihnachtsgeschenke für seine Kinder kaufen, da stolperte er über das Bobbycar des dreijährigen Mexikaners Alejandro Alvarez Cortez, schlug ungünstig mit dem Kopf auf dem Pflaster auf und blieb bewusstlos liegen. Zuerst war alles um ihn herum schwarz. Er blinzelte, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, doch es nützte nichts. „Ich kann nicht tot sein, ausgeschlossen, “ dachte er. In diesem Moment begann die Dunkelheit sich aufzulösen und es wurde immer heller um ihn herum. Er sah vor sich ein Tor, daneben stand ein Mann. Donald Trump wusste, dass er nicht mehr in New York war. War er doch tot? Er stand auf und stellte fest, dass ihm nichts weh tat. Erwartungsvoll ging er auf den Mann am Tor zu. Dieser war alt, hatte einen langen, weißen Bart und trug eine Art Toga. In der Hand hielt er einen goldenen Schlüssel. Als Trump näher kam, schaute der Alte ihn an und sprach: „Hola, chico!“
„Was?“
„Ich heiße Don Pedro, das ist die Tür. Und mit diesem Schlüssel kann ich sie öffnen!“
„Wo bin ich? Bin ich tot? Das kann nicht sein!“
„Doch, amigo, niemand ist unsterblich.“ Don Pedro schloss die Tür mit seinem Schlüssel auf, nahm den verwirrten Trump am Arm und führte ihn durch das Tor hindurch. „Wieso heißen Sie Don Pedro und nicht Petrus? Petrus ist normalerweise der, der einen an der Himmelstür empfängt!“
Don Pedro grinste. „Gringo – das ist nicht der Himmel …“, er zeigte auf einen klapprigen grünen VW-Käfer, der auf sie zugefahren kam, „ …das ist MEXICO!“
Trump schrie vor Entsetzen auf und spürte, wie Don Pedro ihm einen Schubs in Richtung Käfer gab. Die Beifahrertür öffnete sich von selbst und der Fahrer grinste heraus.
„Bienvenido, Don Donaldo, ich heiße Jesús. Und jetzt bringe ich dich zur Fiesta.“
Widerwillig stieg Don Donaldo, so sollte er von jetzt an heißen, in das Auto. Die Beifahrertür schloss sich wieder von selbst, wie von Geisterhand.

Wohin bringt Jesús den armen Donald Trump, mit dem wir alle unendliches Mitleid haben? Das erfahrt ihr morgen.

Mit zwei Hunden auf dem Weihnachtsmarkt

Letztes Jahr am ersten Advent musste ich auf zwei Hunde aufpassen, Samu, unseren eigenen, ein Rhodesian Ridgeback, und Zita, ein Mischling: Schäferhund im Kuschelformat, mit lustigen Knickohren und überwiegend blondem Fell, mit weißem Lätzchen. Es war Nachmittag und ich hätte eigentlich mit den beiden Gassi gehen sollen, irgendwo zwischen Büsche und Rasen, laaaaangweilig, da dachte ich mir: geh doch einfach auf den Weihnachtsmarkt. Natürlich nur auf einen winzig kleinen, der nicht zu stressig ist für Hunde. Ich zog Samu sein Wintermäntelchen an (der Monsieur friert schnell) und machte mich auf den Weg, zuerst vorbei an Büschen und Rasenflächen, damit Samu das Bein heben und Zita sich hinsetzen konnte. Der Weihnachtsmarkt befand sich hinter dem Haus der Graf-Recke-Stiftung, einer Einrichtung für Sonderpädagogik. Als ich mit den beiden Hunden an der Leine auf das Haus zuging, rollte vor uns eine gehbehinderte Frau her, die mit noch anderen Leuten auf den Eingang des Weihnachtsmarktes zusteuerte. Ich machte langsamer, um ihnen den Vortritt zu lassen, da machte Samu urplötzlich einen Satz nach vorn, direkt zum Rollstuhl, an dessen Rückseite sich unten ein Transportkorb befand – mit einer offenen Tüte Popcorn darin, geradezu einladend für Vierbeiner jeder Art. Ich konnte Samu gerade noch davon abhalten, seinen kompletten Kopf in die Tüte zu stecken. Weder die Fahrerin noch ihre Bekannten hatten etwas von Samus Raubversuch mitbekommen.

Auf dem Weihnachtsmarkt angekommen schauten wir uns erst einmal um, was es so alles gab, und das war nicht viel: ein Kinderkarussel, jeweils einen Stand mit Plätzchen, Bastelkram, Getränke, Bücher und ein Pavillon für Musikaufführungen. Ich ging mit den Hunden zum Getränkestand und stellte fest, dass es keinen Glühwein gab. Ich nahm einen Kinderpunsch und stellte mich etwas an die Seite, zwischen Bücher- und Plätzchenstand  – das war ein Fehler. Samu bekam einen Hauch Plätzchenduft in die Nase, richtete sich auf und legte seine Vorderpfoten auf die Theke des Standes, als ob er sagen wollte: „Haben Sie Plätzchen für mich?“. „SAMU!“, rief ich und holte ihn zurück. Neben mir, die Frau am Bücherstand, begann zu kichern. Fast gleichzeitig entdeckte eine ältere Dame etwas, das sie unbedingt knuddeln musste: Zita. „Ach ist die niedlich, die hat so ein flauschiges Fell, und genau die richtige Größe!“, sagte sie, während sie Zita streichelte. Ich nickte und entgegnete irgendetwas, da tauchte wie aus dem Nichts das Popcorn-Mobil wieder auf – ich war abgelenkt wegen Zita und FLUPP! Samus Kopf steckte in der Tüte. „SAMU!!!!“, rief ich wieder. Vom Bücherstand her ertönte ein lautes Lachen. Die Frau im Rollstuhl hatte noch immer nichts mitbekommen. Ich schaute mir Samus Schnauze genauer an, und da er nicht kaute, hatte er offensichtlich auch nichts erwischt. Ich nahm ihn noch kürzer an die Leine, trank einen Schluck Kinderpunsch und wünschte mir, es wäre Glühwein. Ich warf einen Blick auf Zita, die inzwischen eine Rückenmassage über sich ergehen ließ. Sie schaute mich hilfesuchend von unten heraus an. „Sie ist etwas schüchtern!“, sagte ich der Frau, diese verstand den Wink, grinste Zita noch einmal zu und verabschiedete sich mit: „Und sie hat genau die richtige Größe!“ Unter dem Pavillon versammelte sich ein Chor, doch bevor die Musik beginnen und die Hunde vielleicht zum Mitjaulen bringen konnte, trank ich meinen Punsch aus, verabschiedete mich von der lustigen Frau am Bücherstand und ging Gassi zwischen Büschen und Rasenflächen. Etwas langweilig, dafür aber Popcorn-frei.

Vorglühen in der Bahn zum Wurstmarkt

Letzten Freitag war ich seit einer Ewigkeit mal wieder beim Dürkheimer Wurstmarkt. Hingekommen bin ich mit der Rhein-Haardt-Bahn, die von Mannheim aus fast eine ganze Stunde braucht. Da ziemlich wenige Sitze frei waren, setzte ich mich zu drei Jungs auf einem Vierersitz. Jeder hatte zwei Bierdosen zum Vorglühen dabei. Als ich mich umschaute, stellte ich fest, dass die komplette Bahn am Vorglühen war. Ich kam mir dann doch etwas nüchtern vor. Die Jungs unterhielten sich auf Englisch, ich hörte aber nicht zu, bis sich ein weiterer, der ebenfalls schon was im Tee hatte, umdrehte und ein Gespräch begann. Die drei erzählten, sie kämen aus England, Irland und Frankreich und seien Erasmus-Studenten. Der vierte sagte, er käme aus Bonn, und da ging es auch prompt mit dem Thema „totales Besäufnis“ los. Er begann, vom Karneval in Köln zu erzählen: „You must come to Cologne when carneval starts, at November 11th at 11:11 o’clock. Forget everything you have seen before.“ Der Engländer zückte sein Handy und gab sofort den Termin ein. „You have to wear a very crazy costume, because you only meet fucked up guys in crazy costumes, you can come disguised as a big penis. Everybody is drunk, the best is, you get on a train at 8 o’clock and you start drinking there, and when you reach Cologne you are fit for the party.“ Ich musste grinsen, der Bonner fuhr fort: „And finally, there is carneval in February, six days long …“ „Can you tell me exactly the date?“ „No, it’s different every year, but you will find out.“

Die Erasmus-Studenten waren begeistert und sahen sich wahrscheinlich schon besoffen auf der Domplatte herumfallen. Ich überlegte, ob ich meinen Senf dazu geben sollte: „I have lived in Düsseldorf for four years. At November 11th at 11:11 o’clock, there comes a clown out of a mustard pot in front of the town hall. He makes jokes about everything, especially Cologne. And all the people stand around him and drink Altbier.“ Da ich NICHT vorgeglüht hatte, konnte ich mich nicht dazu durchringen, es zu sagen. In Bad Dürkheim angekommen stiegen die Jungs aus, und ich verlor sie aus den Augen. Ich hatte noch eine halbe Stunde Zeit, bis ich mich mit meiner Freundin am Riesenfass traf. Was ich bis dahin gemacht habe? Vorglühen. Natürlich nicht mit Dosenbier, sondern Winzersekt!

Game of Bus Drivers

Ich sitze im Bus nach Gerresheim, kein normaler Linienbus, sondern ein Ersatzbus für die Straßenbahn, denn in Gerresheim wird zurzeit die Hauptstraße komplett umgepflügt. Eine Endlos-Baustelle eben. Ich sitze auf dem Platz direkt hinter dem Busfahrer. Durch eine Glasscheibe, die mich von der Fahrerkabine trennt, kann ich auf die Ablage hinter dem Sitz schauen, und dort liegt ein Buch, das der Busfahrer wahrscheinlich in seinen Pausen liest: George Martin, Game of Thrones. Eine Frau will aussteigen, und zwar an einer Haltestelle, die aufgrund der Bauarbeiten zurzeit keine ist. Der Fahrer lässt sie unter Protest trotzdem aussteigen. Nachdem sich die Tür hinter der Frau wieder geschlossen hat, gehen die Schimpftiraden des Fahrers aber erst richtig los: „Ich sage es dieser Frau jeden Tag. Und ich sage es auch den anderen jeden Tag, immer wieder, hier ist keine Haltestelle! Aber keiner kapiert es!“ Ich frage mich, an wen seine Botschaft gerichtet ist, denn er motzt wie ein Wilder einfach ins Blaue hinein. „Wenn etwas passiert und jemand überfahren wird und stirbt, dann sind wir Busfahrer dran, dann dürfen wir zahlen, unser Leben lang…“ und so fort und so fort.

Lieber Busfahrer! Ein kleiner Tipp von mir: Kauf dir ein anderes Buch. Dann wirst du gelassener!

Die Verwandlung Teil 3

„Was zum Geier machst du mit Gregors Handy?“
„Das kann ich dir nicht in meiner Sprache erklären,“ dachte Gregor, schnappte sich kurz entschlossen das Handy und lief schnurstracks an seiner verdutzten Mutter vorbei. „Hund, warte!“, hörte er sie rufen, reagierte jedoch nicht – was hätte er auch schon sagen oder bellen sollen, er hatte ja ein Handy im Mund.  Entschlossen rannte Gregor die Treppe hinunter, den Flur entlang und wurde schließlich von der geschlossenen Haustür aufgehalten.
„Hund, komm her!“ Nein, ich komme nicht, ich muss etwas erledigen. Vorsichtig stellte er sich auf die Hinterbeine, stütze sich mit beiden Pfoten auf die Türklinke und machte sich so schwer wie möglich. Tatsächlich, die Klinke bewegte sich nach unten und die Tür öffnete sich einen Spalt breit. Gregor hörte die Schritte der Mutter auf der Treppe hinter sich. Schleunigst schob er sich durch die Tür und verließ das Haus. Während er durch den Vorgarten lief, überlegte er blitzschnell, wer ihm helfen könnte, ein Selfie zu machen. „Asta, Schäferhündin: zu groß. Ngobo, Ridgeback: zu groß. Gina, Jack-Russel: genau die richtige Pfotengröße. Nur  mit der Konzentration dürfte es etwas schwierig werden.“
Gina wohnte direkt im Nachbarhaus, tippelte stets in der Hofeinfahrt und im nicht umzäunten Vorgarten umher und musterte jeden, der vorbeikam. Wenn ihr etwas an ihm nicht passte, kläffte sie. Gregor lief auf die Hofeinfahrt, legte das Handy ab und bellte nach Gina. Lange brauchte er nicht warten, da kam sie auch schon hinter einem Gebüsch hervor, ein kleines, weißes Hündchen mit lustigen braunen Flecken. Vorwitzigen Blickes tippelte sie auf ihn zu und blieb ein paar Bobtailschritte entfernt von ihm stehen. Sie bellte und Gregor verstand nichts. Er bellte zurück und hoffte, dass sie ihn verstand. Aus dem Augenwinkel bemerkte Gregor, dass seine Mutter sich näherte, wie sollte er jetzt das mit dem Selfie schaffen? Er versuchte es trotzdem und stupste sein Handy mit der Schnauze an, um Gina darauf aufmerksam zu machen. Diese wedelte begeistert mit ihrem Schwanz, stürzte sich blitzschnell auf das Handy, schnappte es und trug es davon, ehe Gregor nur das Wort „Selfie“ bellen konnte. Gregor lief ihr hinterher und folgte ihr hinter das Gebüsch, aus dem sie herausgekommen war. Gina buddelte in einer affenartigen Geschwindigkeit ein Loch, sodass zwischen ihren Hinterpfoten die Erdklumpen geradeso durch die Luft schossen.
„Nein, nicht das Handy einbuddeln!“, bellte Gregor, doch Gina machte unbehelligt weiter. Da ertönte urplötzlich das Lied:  „Who let the dogs out?“, worauf Gina so sehr erschrak, dass sie wie von der Tarantel gestochen aufsprang, das Gleichgewicht verlor und auf die Seite purzelte. Gregor schaute auf das Handy. Es war sein Freund Max. Er versuchte, abzunehmen und tapste erneut auf das Display des Handys, erfolglos. Er sah, wie jemand das Telefon aufhob und ohne Schwierigkeiten mit dem Finger darüber wischte.
„Hallo Max, hier ist Gregors Mutter … Nein, wir wissen leider auch nicht, wo er steckt.“ Gregor bellte. „Ruhig! Er hat einen Hund hier gelassen, einen Bobtail, weißt du etwas über ihn? Hat er ihn gefunden? Nein … keinen Hund. Ich mache mir wirklich Sorgen …“ Gregor bellte. „Es ist so seltsam, der Hund ist da, Gregor ist fort…“ Gregor bellte aus vollen Leibeskräften. Die Mutter schaute ihn an. Er schaute sie an und wiederholte in Gedanken immer wieder den Satz: „Ich bin Gregor. Ich bin Gregor.“ Gina wuselte um ihn herum, er beachtete sie nicht. Die Mutter verabschiedete sich von Max und legte auf, den Blick noch immer auf die Hundeaugen gerichtet. Jetzt machte auch Gina Sitz, als ob sie wüsste, dass es um etwas Ernstes ging. „Du weißt, wo Gregor ist?“, fragte Frau Samsa. Gregor bellte. „Kannst du mich zu ihm führen?“ Gregor machte Männchen, versuchte, mit der Pfote auf sich selbst zu zeigen und hoffte, dass seine Mutter es verstand. „Hm, du bist schon ein seltsamer Hund.“
Langsam ging sie auf ihn zu, strich über seinen Rücken und zog vorsichtig ein paar lose Haare aus seinem Fell. Dann hockte sie sich zu ihm hinunter, direkt vor ihn, Hundeschnauze auf Augenhöhe, hielt ihm die Haare vor die Nase und sagte: „Was würde wohl passieren, wenn ich einen DNA-Test mache?“
Gregor bellte zustimmend.