Drei Haselnüsse für einen Manager – Teil 1

Da hatte er nun, ach, Volkswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftslehre und leider auch Juristrei studiert und hatte es schließlich nur ins mittlere Management eines traditionellen Betriebes geschafft, der Buntstifte herstellte. Er hatte diese Stifte schon oft ausprobiert, denn jedes Mal, wenn ihm der Stress in der Firma zuviel wurde, holte er sein Mandala-Malbuch aus der Schreibtischschublade und malte die vorgegebenen kleinen Flächen aus. Und niemals über den Rand. Das Problem an Heinrichs (wie sollte er sonst heißen?) Job war, dass er im mittleren Management unter einem Rollenkonflikt litt: Den Chefs gegenüber, den Grafen zu Staedtler und Walldorf, musste er sich stets souverän verhalten. Sie sollten nicht erfahren, dass er oft Selbstzweifel hatte und sich ungeheuren Druck machte, die Umsatzvorgaben zu erfüllen. Wenn nun einmal weniger Buntstifte verkauft wurden, da die Leute lieber Grafikprogramme benutzten, musste er dies gekonnt überspielen mit Sätzen wie: „Bald ist wieder Schulanfang, und die Kinder brauchen Buntstifte.“ Seinen Mitarbeitern dagegen musste er sich oft von der verständnisvollen Seite zeigen. Sie erledigten ihre Arbeit gut und mochten ihren Chef. Daher konnte er nicht nein sagen, wenn Bitten kamen wie: „Darf ich früher gehen? Ich habe keinen Babysitter gefunden!“ Heinrichs Problem war das Wechselbad zwischen Glatt-Sein und Menschlich-Sein. Oft bewunderte er den gelassenen Buchhalter Wagner, der um Punkt neun morgens pfeifend seinen Computer hochfuhr, den ganzen Tag Zahlen von einem Konto aufs andere schob und nebenher Lion Cereals futterte. Manchmal sang er sogar die Buchungssätze vor sich hin. Um 17 Uhr fuhr er seinen Computer dann wieder runter, verabschiedete sich von denen, die länger bleiben mussten, und ging pfeifend nach Hause.

An einem Abend saß Heinrich alleine in seinem Büro, seine Mitarbeiter waren schon gegangen. Die Räume lagen im Dunkeln, nur Heinrichs Schreibtischlampe brannte. Resigniert, die Stirn auf die Hände gestützt, kauerte er an seinem Schreibtisch. „Hier sitz ich fest, ich armer Tor, kann nicht zurück, und kann nicht vor,“ seufzte er und begann, über eine Kündigung nachzudenken. Da hörte er plötzlich ein Trippeln im Flur, das nach Hundepfoten klang. Heinrich blickte erschrocken auf. Woher sollte jetzt so plötzlich ein Hund kommen? Er schaute weiterhin in die Richtung, und tatsächlich, etwas bewegte sich und kam auf ihn zu. Als es das Büro betrat, erkannte Heinrich, dass es ein schwarzer Königspudel mit einem kristallbesetzten Halsband war. Heinrich lächelte. „Ja, wer bist du denn? Gehörst du der Gräfin zu Staedtler und Walldorf?“
„Nein,“ antwortete der Pudel. Heinrich erschrak. „Du kannst ja reden! Bist du etwa ein Mensch in einem Kostüm?“
„Nein, nein.“
„Oder ein ferngesteuertes Stofftier?“
„Dreimal nein.“
„Wer bist du dann?“
„Ich bin der Hund, der stets verneint.“

(Fortsetzung folgt)

 

 

 

 

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